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Schlussbetrachtung

Wie die vorgestellten Fallbeispiele zeigen, spielen Gerüche in vielen Kulturen eine Rolle bei der Konstruktion, Legitimierung und Aufrechterhaltung sozialer Kategorien, selbst in einer Gesellschaft, die so auf den Sehsinn fixiert ist wie die unsere. Unterschiede zwischen bestimmten Gruppen werden durch die Zuschreibung von olfaktorischen Merkmalen betont, d.h. die Abgrenzung zwischen diesen Gruppen verstärkt. Die Aufrechterhaltung eines hierarchischen Systems kann ebenfalls olfaktorisch gestützt werden, und zwar dadurch, dass die dominante Gruppe sich selbst einen neutralen oder positiv besetzten Geruch zuschreibt, den niedrig stehenden oder marginalisierten Gruppen aber negative Gerüche unterstellt und sie dadurch stigmatisiert. Für diese Funktion scheinen Gerüche besonders geeignet, da ihre Wahrnehmung stark mit Emotionen und sogar körperlichen Reaktionen verknüpft ist, sodass erlernte olfaktorische Präferenzen und vor allem Abneigungen leicht als naturgegeben und daher unumstößlich dargestellt werden können, womit wiederum auch die Abneigung gegen bestimmte Personengruppen legitimiert wird.

Eine über das Thema dieser Arbeit hinausgehende, aber dennoch erwähnenswerte Funktion von Gerüchen ist die der sozialen Kontrolle, wie sie die Fallbeispiele der Buli, der Kashinawa und des europäischen Mittelalters belegen: Dort galten bzw. gelten Geruchsausdünstungen als Indikatoren für den Lebenswandel und daher als Möglichkeit, Menschen zu identifizieren, die sich nicht konform verhalten. Das Wissen darüber und die Überzeugung, nichts gegen den verräterischen Geruch unternehmen zu können, kann somit als Abschreckung vor Normverstößen fungieren. Auch Tabus werden manchmal mit Hilfe von Geruchskonzepten begründet und vermittelt, wie z.B. das Exogamiegebot bzw. Inzestverbot bei den Desana oder das Tabu, sich menstruierenden Frauen, Schwangeren oder Wöchnerinnen zu nähern, bei den Kashinawa.

Der Geruchssinn selbst spielt in den erwähnten Beispielen keine derart markante Rolle, aber auch hier offenbart sich der Mechanismus, Unterschiede zu konstruieren und damit bestimmte Gruppen abzuwerten. Dort, wo der Geruchssinn als primitiv gilt, kann die Zuschreibung einer besseren Riechfähigkeit dazu dienen, soziale Kategorien wie Frauen oder Fremde in die Nähe von Tieren oder der Natur zu rücken, ihnen menschliche Eigenschaften wie Rationalität abzusprechen und sie dadurch auf eine niedrigere Stufe zu stellen. Dies gelingt umso effektiver, je mehr diese Eigenschaft biologisch begründet wird, da Argumente dieser Art häufig als absolut angesehen werden.
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