Der Geruchssinn ist der phylogenetisch älteste, aber auch der am
wenigsten erforschte Sinn in der Biologie. Er ist ein Fernsinn,
das heißt, dass er auch auf flüchtige Stoffe, die nicht direkt mit
dem Körper in Berührung kommen, reagiert. Der Mensch kann sich einer
Geruchswahrnehmung nicht bewusst über längere Zeit entziehen,
da dies ein Ersticken herbei führen würde.
Im Laufe der Evolution übernahm der Geruchssinn zunächst die Aufgabe
Nahrung und einen geeigneten Sexualpartner zu finden und damit die
Art zu erhalten. Mit dem Erlernen des aufrechten Ganges nahm die
Bedeutung des Riechens zugunsten des Sehens ab.
Bisher ist nicht vollständig geklärt, wie die vielen unterschiedlichen
Geruchsempfindungen im Menschen entstehen können, vor allem, da
die Untersuchung der Geruchswahrnehmung durch verschiedene methodische
Probleme gekennzeichnet ist. Zum einen konnten die für die Riechempfindung
zuständigen Merkmale der Geruchsstoffe noch nicht vollkommen identifiziert
werden, zum anderen sind Duftstoffe, die bei Experimenten eingesetzt
werden, oft verunreinigt, sodass es zu verfälschten Ergebnissen
kommen kann.
Die verschiedenen Arten der Lebewesen variieren in ihrer Geruchsempfindlichkeit
(Riechschärfe). Ein Hund beispielsweise braucht wesentlich weniger
Moleküle eines Duftstoffes zu empfangen als der Mensch, um die gleiche
Reaktion zu erlangen, da er eine wesentlich größere Riechoberfläche
auf seinem Epithel (Riechschleimhaut) besitzt. Der Mensch hat circa
30 Millionen Riechzellen, während ein Hund ein Vielfaches davon
aufweist. Es gibt aber auch individuell unterschiedliche Schwellenwerte,
welche von bestimmten Faktoren wie Training, Drogenkonsum, Krankheit
oder jeweiligem Hormonstatus beeinflusst werden. Ein "durchschnittlicher
Mensch" ohne besondere Geruchsschulung erkennt circa 20 Duftsubstanzen,
während ein Parfümeur mehrere tausend identifizieren kann.
Nach Schätzungen ist circa ein Prozent der Weltbevölkerung von
der Krankheit Anosmie, einem vollständigen oder partiellen Geruchsverlust,
betroffen und zwei von drei Menschen haben gelegentliche Riechausfälle.
Da Mund und Nasenhöhle in enger Verbindung stehen, beeinträchtigt
dies auch die Geschmacks-wahrnehmung der Betroffenen. Überhaupt
empfindet der Mensch während des Essens die meisten Geruchseindrücke.
Innerhalb der Naturwissenschaften beschäftigt sich, neben der Physiologie
und Neurologie, auch die Psychologie mit der Wahrnehmung des Olfaktorischen.
Hauptbereiche sind dabei die emotionalen Reaktionen auf Gerüche
und ihre Bedeutung für die Motivation des Menschen im Bezug auf
das Sexual-, Arbeits- und Konsumverhalten. Außerdem wird der Frage
nachgegangen, wie Duftstoffe in der Medizin und Psychotherapie eingesetzt
werden können.
Eine Teildisziplin der olfaktorischen Psychologie ist die Dufthedonik,
die versucht, den Aufbau bestimmter Präferenz- und Aversionsmuster
von Gerüchen zu analysieren. Neben dem Fühlen ist kein anderer Sinn
so stark von emotionalen Reaktionen begleitet wie das Riechen. Dufteindrücke
können im Menschen Erinnerungen wieder aufleben lassen und umgekehrt
bleiben Gerüche besonders dauerhaft im Gedächtnis gespeichert, wenn
die Geruchssituation von starken Emotionen begleitet wurde.
Alle in diesem Kapitel angeschnittenen Themen, können ausführlich
in den in der Bibliographie angegeben
Titeln nachgelesen werden.
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