Die Ethnologie der Sinne beschäftigt sich mit der Frage, wie die
Sinneswahrnehmungen der Menschen von der jeweiligen Kultur beeinflusst
werden.
Es soll herausgefunden werden, welchen Einfluß Sinneskonzepte auf
die unterschiedlichen Bereiche einer Kultur wie z.B. auf die soziale
Organisation, das Selbstkonzept, die Weltanschauung oder auf die
Emotionen einer Gruppe haben können. Die Ergebnisse können dann
im interkulturellen Vergleich gegenübergestellt werden und Generalisierungen
zum Zusammenhang zwischen Sinneswahrnehmung und Kultur liefern.
Dabei wird angenommen, dass keine natürliche Hierarchie der Sinne
als kulturelle Universalie existiert, sondern dass sowohl die Definition
der Sinne (Anzahl) als auch ihre Bedeutung von Kultur zu Kultur
variiert. So basiert die Einteilung in 5 Sinne (Augen, Ohren, Mund,
Nase, Haut) in Europa auf den Vorstellungen des griechischen Philosophen
Aristoteles und auch die Reihenfolge der Nennung intendiert deren
angenommene Bedeutung. Das Sehen gilt seitdem in der westlichen
Welt als wichtigstes Medium der Wahrnehmung.
Gerade auch in der Ethnologie wird durch Methoden wie teilnehmende
Beobachtung und Interviews das Sehen und Hören in den Mittelpunkt
der Forschung gestellt. Diese ethnozentristische Perspektive problematisiert
die Ethnologie der Sinne, da somit wichtige Aspekte einer Kultur
"übersehen" werden, soweit das Sensorium der untersuchten Kultur
von dem des Ethnologen differiert.
Aus diesen Feststellungen resultiert auch das bestehende Interesse
des Ansatzes am Riechen, Schmecken, Fühlen und Hören, während das
Sehen nur am Rande behandelt wird (auch auf dieser Homepage kein
eigenständiges Kapitel zur visuellen Wahrnehmung).
Da die Ethnologie der Sinne einen recht jungen Diskurs innerhalb
des Faches darstellt und sowohl die Entwicklung geeigneter Methoden
zur Datenerhebung als auch zur Datendarstellung problematisch ist,
liegen bisher nur wenige empirische Arbeiten vor. Das bestehende
Material soll auf diesen Seiten zusammengetragen und durch neue
Literatur ständig ergänzt werden.
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