Thema der vorliegenden Arbeit ist die Rolle von menschlichen Körpergerüchen
und menschlichem Geruchssinn bei der Konstruktion von sozialen Kategorien:
Bestimmten Individuen werden Unterschiede bezüglich dieser beiden
Charakteristika zugeschrieben und damit ihre Zugehörigkeit zu einer
bestimmten sozialen Gruppe legitimiert. Meist ist diese Einteilung
mit einer negativen Wertung verbunden, was der Festigung einer bestehenden
Hierarchie der sozialen Kategorien dient (Vgl. Raab 1998:51f.).
Wichtig hierbei ist die Feststellung, dass die Bewertung von Gerüchen
erlernt und damit kulturell geprägt ist. Die negative Beurteilung
des Körpergeruchs eines Individuums, das zu einer anderen sozialen
Kategorie gehört, ist nicht durch die von ihm ausgehenden Geruchsmoleküle
und eine instinkthafte Reaktion darauf zu erklären, sondern durch
die Bedeutungen, die diesen zugeschrieben werden. Außerdem ist die
Wahrnehmung von Gerüchen stark geprägt vom situativen Kontext sowie
von Erinnerungen und sonstigen Assoziationen, die mit ihnen verbunden
werden (Vgl. Beer 2000:214f.).
Was die Unterschiede in der Fähigkeit der Geruchswahrnehmung angeht,
ist auch hier davon auszugehen, dass sie nicht biologisch determiniert
sind, sondern eher durch den Gebrauch des Geruchssinns entstehen.
Ein Beleg hierfür sind die verschiedenen Geruchsspezialisten wie
Parfümeure, Önologen oder Kaffeetester, die weitaus mehr Gerüche
unterscheiden und erkennen können als nicht ausgebildete Menschen.
Diese Beispiele legen überdies die Vermutung nahe, dass die Schnelligkeit
und Präzision einer Geruchswahrnehmung im Zusammenhang steht mit
der geringen oder hohen Bedeutung, die dem jeweiligen Geruch zugemessen
wird (Vgl. ebd.:210-212).
Beispiele für soziale Kategorien, die durch Geruchsunterschiede
legitimiert werden, sind Rasse, ethnische Gruppe, Geschlecht, soziale
Schicht, Alters-, und Berufsgruppe. Wichtig hierbei ist, dass Rasse
und Geschlecht einen besonderen Fall darstellen, da hier die Unterschiede
bei Körpergerüchen und Geruchssinn biologisch begründet werden,
weshalb der Geruchssinn auch nur bei diesen beiden Kategorien eine
Rolle spielt. Unterschiedliche Geruchsausdünstungen werden dagegen
auch mit Ernährungsweise, Hygienegewohnheiten oder anderen äußeren
Einflüssen erklärt.
Um die anfangs vorgestellte These zu veranschaulichen und zu belegen,
sollen eine Reihe von Fallbeispiele dienen: Im ersten Teil der vorliegenden
Arbeit wird ein historischer Abriss der Bedeutung von Geruch für
die soziale Ordnung in Europa gegeben, auf den im zweiten Teil außereuropäische
Beispiele der Konstruktion sozialer Kategorien mit Hilfe von Geruch
folgen. Diese stammen aus ethnologischen Untersuchungen, von denen
es bis heute leider nur eine geringe Zahl zu diesem Thema gibt.
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