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Außereuropäische Fallbeispiele
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Afrika
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Für den afrikanischen
Kontinent gibt es ebenfalls nur eine geringe Zahl von ethnologischen
Studien über den Geruch, wovon einige im Folgenden vorgestellt werden
sollen.
Bei den Kapsiki in Kamerun und Nigeria werden soziale Klassen nach
Gerüchen eingeteilt, in die Mehrheit der Bauern und Händler und die
marginalisierte Minderheit der Schmiede. Diese werden von der herrschenden
Klasse als schmutzig und übelriechend angesehen, auch weil sie zusätzlich
die Funktion von Totengräbern übernehmen. Schmiede ernähren sich von
Tieren, die von den Bauern und Händlern als nicht essbar klassifiziert
werden und durch ihre Assoziation mit der stinkenden Klasse der Schmiede
bei den Bauern und Händlern noch mehr Ekel erregen. Diese Abscheu
überträgt sich auch auf das Geschirr, von dem die Schmiede essen.
Interessanterweise wird diese Zuschreibung von Gerüchen von den Schmieden
selbst nicht einfach hingenommen, sondern bestritten - sie betrachten
weder sich, noch die Toten, die sie begraben, noch die Tiere, die
sie essen, als übelriechend und wehren sich so auch gegen die ihnen
von den Bauern und Händler aufgezwungene Identität (Vgl. Classen et
al. 1994:108f.).
(Vgl. Classen et al. 1994:108f.). Ähnlich ist die Situation bei den
Tuareg: Auch bei ihnen gelten Schmiede als schmutzig und stinkend,
und zudem ist es ihnen im Gegensatz zu Adligen erlaubt, ihren Blähungen
freien Lauf zu lassen und über dieses Tabuthema zu sprechen. In der
Gesellschaft haben sie die Rolle von "Hofnarren", d.h. sie kritisieren
und kommentieren die Handlungen der Adligen, stellen also in gewisser
Weise eine Bedrohung für diese dar. Mit der Geruchszuschreibung erfolgt
eine Einteilung der Gesellschaft in zivilisierte und unzivilisierte
Klassen, die auch manchmal auf Stadt- versus Landbewohner oder Sesshafte
versus Nomaden übertragen wird (Vgl. Rasmussen 1999:61f.).
Die Gesellschaft der Dassanetch in Südwest-Äthiopien ist ebenfalls
sehr streng in zwei olfaktorische Klassen unterteilt: in Viehzüchter
und Fischer, die mit den Gerüchen der Tiere identifiziert werden,
von denen sie leben. Die Viehzüchter haben einen höheren sozialen
Status als die Fischer, und gleichzeitig wird Rindern ein viel größerer
Wert beigemessen als Fischen, weshalb auch der Geruch von allem, was
mit Rindern zu tun hat, als angenehm gilt. Dagegen werden Fische negativ
beurteilt, da sie von den Dassanetch als außerhalb der natürlichen
Zyklen von Wetter und Sexualität stehend betrachtet werden. Für die
Fischer bedeutet das, dass sie in den Augen der Viehzüchter ebenfalls
aus diesem Rahmen fallen, ihn sogar bedrohen. Olfaktorisch in die
gleiche Kategorie wie die Fischer gehören Frauen nach der Menopause,
da auch sie sich nun außerhalb der natürlichen Zyklen befinden (Vgl.
Classen 1993:83-87).
Ein sehr komplexes Klassifikationssystem für Gerüche findet sich bei
den Serer Ndut im Senegal: Pflanzen, Tiere, Nahrungsmittel und Menschen
werden fünf olfaktorischen Kategorien zugeordnet - Uringerüche, verdorbene
Gerüche, Milch- oder Fischgerüche, säuerliche und Wohlgerüche. Diesem
Schema folgend sind die Serer Ndut selbst sowie ihre Nachbarn, die
Bambara, wohlriechend, stillende Frauen und andere ethnische Gruppen
ihrer Umgebung fallen in die Kategorie der Milch- oder Fischgerüche
und Europäer stinken nach Urin. Hier zeigt sich ein typisches Muster
bei der olfaktorischen Etikettierung ethnischer Gruppen: Menschen
gelten umso übelriechender, je fremder sie der eigenen Ethnie sind,
d.h. je mehr sie als "das Andere" betrachtet werden (Vgl. Classen
et al. 1994:102-104). |
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